Für den Inhalt dieser Seite ist eine neuere Version von Adobe Flash Player erforderlich.

Adobe Flash Player herunterladen

Steuerberater Gißewski
Home
Unsere Mitarbeiter
Leistungsspektrum
Besondere Leistungen
News
Impressum
Datenschutzerklärung
Galerie
Anfahrt
Links

Brief für Steuerpflichtige im Privatbereich des Monats November 2013


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche, vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Können Miteigentumsanteile geliefert werden?

2.

Zur Ausweitung der Umkehr der Steuerschuldnerschaft

3.

Ermäßigter Steuersatz für Künstler

4.

Selbst bei Hochzeitsfotos muss man auf die Umsatzsteuer achten

5.

Kfz-Nutzung: BMF zeigt neue Risiken auf

6.

Zinsen aus Vermächtnis sind beim Erben Einnahmen aus Kapitalvermögen

7.

Sozialplan in Insolvenz: Wann verjähren Abfindungsansprüche?

8.

Scheidung trotz fehlenden Willens aufgrund von Demenz

9.

Nutzung einer spanischen Ferienimmobilie kann steuerpflichtiger Gewinn sein

10.

Zurechnung einer verdeckten Gewinnausschüttung bei verdeckter Treuhand

11.

Abgeltungsteuer: Keine Kapitalertragsteuer bei Genussrechten

12.

Grundbuch kann bei Erbfall auch ohne Erbschein berichtigt werden

13.

Divergierende Angaben in Steuererklärungen können leichtfertige Steuerverkürzung sein

14.

Anschaffungsnebenkosten bei unentgeltlichem Erwerb

15.

5-jährige Behaltensfrist nach dem Erbschaftsteuergesetz läuft nach Tod des Erben weiter

16.

Gutachterkosten bei Scheidung als außergewöhnliche Belastungen absetzbar?

17.

Grunderwerbsteuer bei Wiedereintritt eines ausgeschiedenen Gesellschafters?

18

Grundstücksschenkung an Kind mit späterer Weiterschenkung an Schwiegerkind

19.

Erbnachweisklausel aus AGB der Banken ist unwirksam

20.

Grunderwerbsteuer: Wann liegt ein einheitlicher Erwerbsvorgang vor?

21.

Zuwendungen aus Anlass von Betriebsveranstaltungen = Arbeitslohn?

22.

Markenrecht: Welcher Zeitpunkt gilt bei Prüfung der Unterscheidungskraft?

23.

Keine steuerliche Absetzbarkeit von Verlusten eines Hobbyautors

24.

Welche Beweiskraft kommt einer Postzustellungsurkunde zu?

25.

Arbeits- oder Werkvertrag? Was spricht für Arbeitnehmerstellung?

26.

Arbeitnehmer haftet für fahrlässige Verletzung von Kollegen bei betriebsfremder Arbeit

27.

Ist der Testamentsvollstrecker immer zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung verpflichtet?

28.

Kein Anspruch des (leitenden) Arbeitnehmers auf Einzelbüro



1. Können Miteigentumsanteile geliefert werden?

Kernaussage
In der Umsatzsteuer wird zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen differenziert. Die Unterscheidung ist nicht nur akademischer Natur, sondern von erheblicher Bedeutung für die umsatzsteuerliche Erfassung. So kann die Unterscheidung z. B. den Ort der Besteuerung, die Rechnungsstellung sowie den Steuersatz beeinflussen.

Sachverhalt
Der Kläger war jeweils zur Hälfte an 4 Pferden beteiligt. Er verkaufte diese Miteigentumsanteile an Dritte. Den Erlös rechnete er mit dem ermäßigten Steuersatz ab, da er den Verkauf als begünstigte Lieferungen halber Pferde qualifizierte. Das Finanzamt hingegen vertrat die Ansicht, dass der Verkauf als sonstige Leistung zu erfassen und somit dem Regelsteuersatz zu unterwerfen sei.

Entscheidung
Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) kommt unter Berufung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie des Bundesfinanzhofs (BFH) zu dem Ergebnis, dass auch die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Pferd als Lieferung anzusehen ist.

Konsequenz
Auf Druck der EU wurde der begünstigte Steuersatz für die Lieferung von Pferden mit Wirkung vom 1.7.2012 aufgehoben. Dennoch hat der Fall für die Praxis Relevanz, da es um die grundsätzliche Frage geht, ob die Übertragung von Miteigentumsanteilen als Lieferung zu qualifizieren ist, mit den hiermit verbundenen umsatzsteuerlichen Folgen. Da gegen das Urteil Revision eingelegt wurde, wird nun der BFH, ggf. aber auch noch der EuGH, hierüber entscheiden müssen.

2. Zur Ausweitung der Umkehr der Steuerschuldnerschaft

Kernaussage
Für bestimmte Leistungen schuldet nicht der Leistende die Umsatzsteuer, sondern der Leistungsempfänger (Umkehr der Steuerschuldnerschaft bzw. Reverse Charge). Seit dem 1.9.2013 gilt die Umkehr der Steuerschuldnerschaft auch für die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz sowie von Elektrizität durch einen im Inland ansässigen Unternehmer. Voraussetzung hierfür ist allerdings bei der Lieferung von Gas, dass der Leistungsempfänger selbst Gas liefert. Bei der Lieferung von Strom müssen sowohl der Lieferant als auch der Leistungsempfänger Wiederverkäufer sein.

Neue Verwaltungsanweisungen
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun zu der Neuregelung in 2 Schreiben Stellung genommen. Das erste Schreiben beschäftigt sich inhaltlich im Wesentlichen mit dem Begriff des Wiederverkäufers sowie der Frage, was als Lieferung von Elektrizität zu behandeln ist. Darüber hinaus wird dargestellt, wie in der Übergangsphase abzurechnen ist, z. B. wenn die Schlussrechnung nach dem 1.9.2013 erfolgt, vor diesem Datum aber Abschlagszahlungen vereinnahmt wurden. Das zweite Schreiben beinhaltet ein neues Vordruckmuster (USt 1 TH). Dieses dient als Nachweis, dass der jeweilige Unternehmer Wiederverkäufer ist und wird vom zuständigen Finanzamt ausgestellt.

Konsequenz
Im Inland ansässige Unternehmen, die Gas über das Erdgasnetz oder Elektrizität liefern, sollten mit Hilfe des Schreibens prüfen, ob sie von der Neuregelung betroffen sind. Dies gilt insbesondere für die Leistungsempfänger, da sie das Risiko tragen, wenn sie übersehen, dass sie als Leistungsempfänger Schuldner der Umsatzsteuer sind. Wichtig dürfte insoweit die Aussage des BMF sein, dass die Betreiber von dezentralen Stromgewinnungsanlagen (z. B. Photovoltaik- bzw. Windkraftanlagen) keine Wiederverkäufer sind. Sofern noch nicht geschehen, sind die erforderlichen Nachweise, wie z. B. der o. g. Vordruck USt 1 TH, einzuholen. Ferner ist sicherzustellen, dass die Abrechnungen in der Übergangsphase den Anforderungen des BMF genügen.

3. Ermäßigter Steuersatz für Künstler

Kernaussage
Kulturelle Einrichtungen, z. B. Theater, Orchester etc. sind i. d. R. entweder von der Umsatzsteuer befreit oder können den ermäßigten Steuersatz (7 %) in Anspruch nehmen. Zwischen Befreiung und ermäßigtem Steuersatz besteht kein Wahlrecht, sondern der ermäßigte Steuersatz greift erst, wenn die Voraussetzungen für die Befreiung nicht vorliegen.

Neue Verwaltungsanweisung
Die Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen gibt in einer aktuellen Verfügung Hinweise zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes (nach § 12 Abs. 2 Nr. 7a UStG) für Solisten sowie für die Veranstaltung von Theatervorführungen sowie Konzerten. Auf Leistungen von Dirigenten ist der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Dagegen unterliegen Regisseure, Bühnenbildner, Tontechniker etc. dem allgemeinen Steuersatz (19 %). Nur wenn der wesentliche Inhalt der Leistung dieser Berufsgruppen urheberrechtlicher Natur ist, z. B. bei Kostümbildnern, findet der ermäßigte Steuersatz Anwendung (allerdings nach § 12 Abs. 2 Nr. 7c UStG). Die Leistungen von Intendanten, Artisten, Zauberern, Bauchrednern sowie Diskjockeys sind ebenso grundsätzlich dem Regelsteuersatz zu unterwerfen. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. So können Diskjockeys den ermäßigten Steuersatz beanspruchen, wenn ihre Leistung künstlerisch ist. Dies soll z. B. dann der Fall sein, wenn sie die Musik nicht lediglich abspielen, sondern Mischpult und CD-Player als "Instrumente" nutzen. Die Veranstaltung von Konzerten ist nur dann begünstigt, wenn durch weitere Leistungen, die in Verbindung hiermit erbracht werden, der Charakter der Veranstaltung als Konzert nicht beeinträchtigt wird. Nicht begünstigt sind daher z. B. musikalische Darbietungen im Rahmen von Tanzbelustigungen, Sportveranstaltungen sowie zur Unterhaltung von Besuchern von Gaststätten.

Konsequenzen
Künstler haben verständlicherweise ein Interesse daran, dass ihre Leistungen dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Der vermeintliche Vorteil kann sich jedoch ins Gegenteil verkehren, wenn die Rechtslage falsch beurteilt wird und der Fiskus die Anwendung des ermäßigten Steuersatz verneint. Hier ist somit eine genaue Prüfung erforderlich, bei der die Verfügung Hilfe leistet. Bevor diese jedoch zum Einsatz kommt, muss geklärt werden, ob für diese Leistungen eine Steuerbefreiung greift. Da insofern kein Wahlrecht besteht, können betroffene Unternehmer nicht zur Steuerpflicht "optieren", falls dies aufgrund des hiermit verbundenen Vorsteuerabzuges günstiger sein sollte.

4. Selbst bei Hochzeitsfotos muss man auf die Umsatzsteuer achten

Kernaussage
Die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben, unterliegt dem ermäßigten Steuersatz (7 %). Dies gilt allerdings nur, wenn der urheberrechtliche Aspekt wesentlicher Inhalt der jeweiligen Leistung ist. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. So ist z. B. bei Hochzeits- bzw. Portraitfotos die Frage aufgeworfen worden, ob die Übergabe der Bilddateien durch Fotografen eine derartige begünstigte Übertragung ist.

Neue Verwaltungsanweisung
Der Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen zufolge fallen fotografische Leistungen nicht unter die Begünstigung. Demnach ist die Übergabe der Fotos nebst Bilddateien als eine dem Regelsteuersatz unterliegende Lieferung anzusehen. Zwar ist mit der Übergabe der Fotos auch die Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsrechte verbunden, die OFD geht jedoch davon aus, dass es den Kunden nicht auf die Übertragung der Rechte ankommt, sondern auf den Erhalt der Bilder bzw. der Bilddateien.

Konsequenz
Derartige Leistungen müssen von Fotografen mit dem Regelsteuersatz abgerechnet werden. Hiervor schützen auch "kreative" Rechnungsinhalte nicht. So weist die OFD darauf hin, dass weder eine Trennung des Entgelts in Aufnahmehonorar sowie Bilderverkauf, noch der Hinweis auf künstlerische Tätigkeit des Fotografen etwas an der Anwendung des Regelsteuersatzes ändert. Lediglich bei Fotobüchern ist eine Differenzierung angebracht. Werden diese vom Fotografen erstellt, so verbleibt es beim Regelsteuersatz. Werden diese jedoch vom Kunden entworfen und nur gedruckt, kann dies ggf. als begünstigte Lieferung eines Buches zu werten sein. Da auch hier die Abgrenzung schwierig ist, ist bei Zweifeln eine unverbindliche Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke bei der Zollverwaltung einzuholen.

5. Kfz-Nutzung: BMF zeigt neue Risiken auf

Kernaussage
Die private Kfz-Nutzung durch Arbeitnehmer unterliegt u. a. der Umsatzsteuer. Bisher stand die zutreffende Ermittlung der Höhe der Kfz-Nutzung regelmäßig im Fokus. Als würde dies noch nicht ausreichen, kann sich nun auch das Problem für im Inland ansässige Unternehmen ergeben, dass sie die Kfz-Nutzung im Ausland der Umsatzbesteuerung unterwerfen müssen.

Rechtslage
Mit Wirkung vom 30.6.2013 gilt als Leistungsort für die langfristige Vermietung von Beförderungsmitteln an Nichtunternehmer das Empfängerortprinzip. Die Besteuerung erfolgt demnach am Wohnsitz des Nichtunternehmers unabhängig davon, wo das Kfz tatsächlich genutzt wird. Die Rechtsänderung dient der Anpassung an die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL), die diese Regelung schon seit dem 1.1.2013 vorsieht.

Neue Verwaltungsanweisung
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun zu der Neuregelung grundsätzlich Stellung genommen. U. a. wird klargestellt, dass die Überlassung von Pkw an Arbeitnehmer zur privaten Nutzung als langfristige Vermietung eines Beförderungsmittels anzusehen ist.

Konsequenz
Überlassen Unternehmen langfristig (> 30 Tage) Kfz an Mitarbeiter die im Ausland wohnen, so unterliegt dies nicht der Umsatzsteuer in Deutschland, sondern im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers. Dies hat für die Unternehmen regelmäßig die Registrierung in diesem Staat zwecks Deklaration der Umsatzsteuer zur Folge. Die Überlassung des Kfz führt somit zu zusätzlichen Kosten, die zu beachten sind, wenn Arbeitnehmern mit Wohnsitz im Ausland Kfz zur privaten Nutzung überlassen werden.

6. Zinsen aus Vermächtnis sind beim Erben Einnahmen aus Kapitalvermögen

Kernproblem
Ansprüche aus einem Vermächtnis des Erblassers unterliegen der Erbschaftsteuer, wenn die persönlichen Freibeträge überschritten sind. Dass sich hieraus auch ertragsteuerliche Folgen für den Vermächtnisnehmer ergeben können, wenn der Erblasser im Testament die spätere Auszahlung unter Berücksichtigung einer Verzinsung anordnet, zeigt folgender Streitfall des Finanzgerichts Düsseldorf.

Sachverhalt
Die Eltern hatten testamentarisch einen Geldbetrag als Vermächtnis zugunsten ihres Sohnes beim Tode des erstversterbenden Elternteils in Höhe des dann geltenden erbschaftsteuerlichen Freibetrages bestimmt. Der Anspruch sollte jedoch erst 5 Jahre nach dem Tod des Erstversterbenden fällig und bis dahin mit 5 % p. a. verzinst werden. Die Forderung war nach dem Tod des Vaters im Jahr 2001 in Höhe von 205.000 EUR entstanden. Als die Mutter fast 6 Jahre später im Jahr 2007 zugunsten des Sohnes auf wesentlich höher bewertete Nießbrauchsrechte verzichtete, erklärte der Sohn im Gegenzug u. a. den Verzicht auf seinen Anspruch. In der Einkommensteuererklärung 2007 deklarierte der Sohn zunächst Zinseinnahmen auf das Vermächtnis von 61.640 EUR; hierin waren zeitanteilig 51.250 EUR für die testamentarisch bestimmten 5 Jahre enthalten. Nach einem Rechtsstreit kam man überein, dass die Zinsen zumindest nicht im Jahr 2007 zu berücksichtigen waren. Dafür setzte das Finanzamt den Zinsbetrag von 51.250 EUR im Steuerbescheid 2006 an. Hiergegen klagte der Sohn mit der Begründung, dass die Zinsen Teil der Zuwendung von Todes wegen seien und nicht der Einkommensteuer unterlägen.

Entscheidung
Nach dem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf unterliegen die Zinsen von 51.250 EUR im Jahr 2006 der Einkommensteuer. Die Richter führten aus, dass das Vermächtnis eine sonstige Kapitalforderung darstelle und mit dem Erbfall entstanden sei. Die testamentarisch verfügte spätere Fälligkeit bewirke nicht, dass das Vermächtnis unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins angeordnet worden sei. Die Verzinsung belege vielmehr, dass das Kapital zwar zunächst der Erbin belassen werden sollte, aber eine Zuordnung zum Vermächtnisnehmer getroffen war. Die Zinsen seien auch zugeflossen, denn der Sohn habe sich zur verzinslichen Überlassung des Kapitals entschieden, indem er den Vermächtnisbetrag nebst Zinsen nicht einforderte, obwohl er den Leistungserfolg hätte herbeiführen können. Damit habe er über den Gesamtbetrag zum Zeitpunkt der Fälligkeit verfügt.

Konsequenz
Das Urteil ist nicht bestandskräftig. Bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Revisionsverfahren sollte über die Vorteilhaftigkeit vergleichbarer Regelungen nachgedacht werden. Das gilt erst recht, wenn die aufgewendeten Zinsen steuerlich nicht nutzbar sind.

7. Sozialplan in Insolvenz: Wann verjähren Abfindungsansprüche?

Kernaussage
Sozialplanansprüche verjähren innerhalb von 3 Jahren ab Fälligkeit, die wiederum grundsätzlich mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses gegeben ist. In diesem Zusammenhang hat das Landearbeitsgericht Düsseldorf aktuell entschieden, dass Sozialplanansprüche auch nach 9 Jahren noch nicht verjährt sind.

Sachverhalt
Die Parteien streiten über einen Sozialplananspruch. Der Kläger war bis zum 31.1.2004 bei der Arbeitgeberin beschäftigt, über deren Vermögen am 1.10.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden war. Dieser zeigte gegenüber dem Insolvenzgericht am 2.10.2003 Masseunzulänglichkeit an und schloss am 10.10.2003 mit dem Betriebsrat einen Sozialplan. Aus diesem ergab sich für den Kläger ein Abfindungsanspruch in Höhe von 14.761,39 EUR. In den seit 2003 erstellten 17 halbjährlichen Zwischenberichten des Insolvenzverwalters waren die Sozialplanansprüche mit einer Quote berücksichtigt. Erstmals im 18. Zwischenbericht vom 17.12.2012 teilte der Beklagte mit, dass diese Ansprüche auf Grund des Eintritts der Verjährung nicht mehr zu berücksichtigen seien. Dieser Rechtsauffassung tritt der Kläger entgegen und begehrt die Feststellung, dass ihm nach wie vor der Sozialplananspruch zusteht.

Entscheidung
Das Landesarbeitsgerichts Düsseldorf gab der Klage statt. Zum einen seien die Ansprüche noch nicht fällig, d. h. die Verjährungsfrist habe noch nicht zu laufen begonnen. Zwar verjährten Sozialplanansprüche innerhalb von 3 Jahren ab Fälligkeit und diese Fälligkeit sei grundsätzlich mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses, d. h. hier am 31.01.2004, gegeben. Anders sei dies aber, wenn wie im konkreten Fall vor Abschluss des Sozialplans Masseunzulänglichkeit angezeigt werde. Der Anspruch werde dann erst mit Abschluss des Insolvenzverfahrens und Verteilung der Masse fällig. Vorher sei der Anspruch sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unsicher, so dass die Verjährung unterbrechende Leistungs- oder Feststellungsklagen nicht möglich seien.

Konsequenz
In der Urteilsbegründung führt das Gericht noch als Parallelargument an, dass es gegen Treu und Glauben verstoße, wenn der Insolvenzverwalter sich auf Verjährung berufe, nachdem er die Ansprüche jahrelang – auch nach dem von ihm angenommenen Ablauf der Verjährung – in den Zwischenberichten aufgenommen habe. Die Arbeitnehmer hätten hier objektiv davon ausgehen dürfen, "dass mit ihrem Sozialplananspruch alles in Ordnung sei". Die Revision wurde nicht zugelassen.

8. Scheidung trotz fehlenden Willens aufgrund von Demenz

Kernaussage


Sachverhalt
Der an einer Demenz vom Typ Alzheimer erkrankte, über 60 Jahre alte Antragsteller heiratete die ca. 20 Jahre jüngere Antragsgegnerin im Frühjahr 2011. Ende des Jahres kam es nach rund 8-monatigem ehelichen Zusammenleben zur Trennung der Eheleute. Die in der Folgezeit für den Antragsteller bestellte Betreuerin reichte im Jahre 2012 einen Scheidungsantrag ein, dem die Antragsgegnerin mit der Begründung, dass der Antragsteller an der Ehe festhalten wolle, entgegentrat.

Entscheidung
Das OLG Hamm hat die vom Familiengericht ausgesprochene Scheidung bestätigt. Die Richter waren vom Scheitern der Ehe überzeugt. Die Scheidung sei von dem durch seine Betreuerin vertretenen Antragsteller wirksam beantragt, der Antrag durch das zuständige Betreuungsgericht genehmigt worden. Aus Sicht des Antragstellers sei die Ehe zerrüttet, eine Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten. Nachdem die Eheleute länger als ein Jahr getrennt lebten, lägen die gesetzlichen Scheidungsvoraussetzungen vor, auch wenn die Antragsgegnerin an der Ehe festhalten wolle. Dass sich der Antragsteller mit einer Trennungs- und Scheidungsabsicht von der Antragsgegnerin getrennt habe, habe die vom Familiengericht durchgeführte Beweisaufnahme ergeben. Bei einer im Frühjahr 2012 im Rahmen seines Betreuungsverfahren durchgeführten richterlichen Anhörung habe der Antragsteller seinen Willen zur Trennung und Scheidung klar geäußert und zu diesem Zeitpunkt trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen noch wirksam äußern können. Zu diesem Zeitpunkt sei die Erkrankung zwar schon so weit fortgeschritten, dass der Antragsteller die Bedeutung der Ehe und die einer Scheidung nicht mehr habe erfassen können. Das verbiete jedoch nicht die Scheidung, nachdem sich der Antragsteller aufgrund des Fortschritts seiner Erkrankung bereits in einem Zustand äußerster Eheferne befinde und sein zuvor gefasster Scheidungswille sicher feststellbar sei.

Konsequenz
Der Scheidung stand hier nicht entgegen, dass der Erkrankte zum Schluss der mündlichen Verhandlung im familiengerichtlichen Verfahren aufgrund der fortgeschrittenen Erkrankung keinen Scheidungswillen mehr fassen konnte.

9. Nutzung einer spanischen Ferienimmobilie kann steuerpflichtiger Gewinn sein

Kernaussage
Die Nutzung einer spanischen Ferienimmobilie führt dann, wenn das Objekt von einer Kapitalgesellschaft gehalten wird und die Gesellschafter es unentgeltlich nutzen, zum Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung, die zumindest nach Maßgabe des alten Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) mit Spanien in Deutschland zu besteuern ist.

Sachverhalt
Im Streitfall ging es um die Nutzung einer auf Mallorca belegenen Ferienimmobilie, die von einer spanischen Sociedad Limitada (SL), vergleichbar einer deutschen GmbH, gehalten wurde. Die Gesellschafter des SL lebten in Deutschland und hatten das Recht, die Immobilie während des ganzen Jahres unentgeltlich zu nutzen. Das Finanzamt vertrat den Standpunkt, dass die unentgeltliche Nutzung zu verdeckten Gewinnausschüttungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter führte.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) nahm zunächst einen Typenvergleich der spanischen SL mit deutschen Gesellschaftsformen vor und kam dabei zu dem Ergebnis, dass es sich um eine Kapitalgesellschaft handelte. Bei Kapitalgesellschaften führen verhinderte Vermögensmehrungen nach deutschem Steuerrecht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. Dividenden führen nach Abkommensrecht in der Regel zu einer Besteuerung im Staat des Anteilseigners. Dies wäre in diesem Falle Deutschland. Maßgeblich ist für eine solche Wertung aber, ob es sich beim Bezug von Ausschüttungen aus einer SL nach spanischem Steuerrecht wirklich im Dividenden im Sinne des Abkommens handelt. Dies muss die Unterinstanz, das Finanzgericht, noch prüfen, weshalb der BFH den Fall zurückverwiesen hat. Das Finanzgericht muss außerdem prüfen, ob die nicht vereinbarten Nutzungsentgelte – soweit keine Dividenden vorliegen – ggf. als sonstige Einkünfte im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens (Art. 21) zu behandeln sind. Auch in diesem Fall würde eine Besteuerung in Deutschland erfolgen.

Konsequenz
Ferienimmobilien in Spanien werden in der Praxis häufig unter Einschaltung einer Kapitalgesellschaft erworben, um spanische Wertzuwachs- und Erbschaftssteuern zu ersparen, aber auch aus Gründen der Haftungsbeschränkung sowie der Anonymität. Für Fälle bis zum Veranlagungszeitraum 2012 kann dies die vorstehenden nachteiligen Konsequenzen auslösen. Ab 2013 gilt ein neues Doppelbesteuerungsabkommen, nach dem die Besteuerungsrechte für derartige Gewinnausschüttungen Spanien zugewiesen sind.

10. Zurechnung einer verdeckten Gewinnausschüttung bei verdeckter Treuhand

Kernaussage
Die verdeckte Treuhandschaft, die nach außen nicht in Erscheinung tritt, spielt im Wirtschaftsleben eine gewichtige Rolle. Hierzu entschied der Bundesfinanzhof (BFH) kürzlich, dass einem minderjährigen Gesellschafter einer GmbH eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht zuzurechnen ist, weil er aufgrund eines verdeckten Treuhandverhältnisses nicht wirtschaftlicher Eigentümer des von Familienmitgliedern unentgeltlich übertragenden GmbH-Anteils ist.

Sachverhalt
Der Kläger war im Streitjahr 1998 5 Jahre alt. Seine Eltern und seine Großmutter gründeten eine GmbH. Nachdem der Vater seine Beteiligung an einen seiner Angestellten veräußerte, übertrug dieser wenig später die Beteiligung auf die Großmutter. Im Jahr 1996 wurde der Vater zum Geschäftsführer der GmbH bestellt. Die Großmutter und die Mutter des Klägers übertrugen im Jahr 1998 ihre Geschäftsanteile je zur Hälfte an den Kläger und seinen Bruder. Zur Vollziehung der Schenkung wurde ein Rechtsanwalt der Firmengruppe des Vaters zum Ergänzungspfleger bestellt. Bei einer Außenprüfung stellte das beklagte Finanzamt fest, dass die GmbH 1998 Fahrzeuge unter dem erzielbaren Marktpreis an eine weitere GmbH veräußert hat, deren Gesellschafter wiederum die Großmutter und die Mutter des Klägers waren. Das Finanzamt stellte eine verdeckte Gewinnausschüttung fest und rechnete diese dem Kläger und seinem Bruder je hälftig zu.

Entscheidung
Der BFH folgte der Ansicht der Finanzverwaltung nicht. Im Streitfall besteht ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis. Dieses ist nur dann gegeben, wenn die mit der rechtlichen Eigentümerstellung verbundene Verfügungsmacht so zugunsten des Treugebers eingeschränkt ist, dass das rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft als "leere Hülle" erscheint. Der Treugeber muss das Treuhandverhältnis nach den getroffenen Absprachen und bei deren tatsächlichem Vollzug beherrschen und jederzeit die Rückübertragung der Geschäftsanteile verlangen können. Dies bestätigte der Ergänzungspfleger im Rahmen seiner Zeugenvernehmung, zumal der Vater Mitglieder seiner Familie und Angestellte als Gesellschafter seiner Firmen einsetzte, um die Anteile dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen.

Konsequenz
Erst nach dem Streitjahr hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 1999 entschieden, dass die Treuhandabrede über GmbH-Anteile notariell zu beurkunden ist. Deshalb steht vorliegend die fehlende notarielle Beurkundung der Treuhandabrede nicht entgegen. Nach dem Grundsatzurteil des BGH dürfte der Fall nun anders zu entscheiden sein.

11. Abgeltungsteuer: Keine Kapitalertragsteuer bei Genussrechten

Kernaussage
Genussrechte gewähren dem Inhaber einen Gewinnanteil für die zeitlich befristete Überlassung von Kapital. Für die steuerliche Behandlung von laufenden Erträgen und Veräußerungsgewinnen aus Genussrechten ist die rechtliche Gestaltung hinsichtlich der Beteiligung der Genussrechte am Verlust und/oder Liquidationserlös entscheidend. Liegt lediglich eine Gewinnbeteiligung vor, spricht man von so genannten obligationsähnlichen Genussrechten. Wurden diese vor dem 1.1.2009 erworben, unterliegen die Gewinne aus der Veräußerung auch nach Einführung der Abgeltungsteuer nicht dem Kapitalertragsteuerabzug.

Sachverhalt
Der Kläger unterhielt bei der beigeladenen Bank ein Direkt-Depot, auf das im Jahr 2006 Inhaber-Genussscheine einer AG zum Nominalwert von 5.160 EUR übertragen worden waren. Die Genussscheine nahmen nicht am Liquidationskapital teil und beinhalteten keine gesellschafterähnliche Rechtsstellung. Im Februar 2010 hat die AG die Genussscheine zu einem Kurswert von 9.228 EUR zurückgekauft. Hiervon behielt die Bank Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag ein. Beide Beträge wurden in der Kapitalertragsteueranmeldung berücksichtigt. Hiergegen wehrt sich der Kläger. Er ist der Ansicht, dass die Genussscheine vor 2006 erworben wurden und damit den Bestandsschutzregeln zur Einführung der Abgeltungssteuer unterliegen würden. Das Finanzamt und der Bundesfinanzhof (BFH) gaben der Klage statt.

Entscheidung
Fraglich war, ob der Veräußerungsgewinn aus den betreffenden Genussrechten die Voraussetzungen für den Kapitalertragsteuerabzug erfüllt, wenn die Genussscheine vor Einführung der Abgeltungssteuer zum 1.1.2009 erworben worden sind. Der BFH hat klargestellt, dass nach der expliziten Übergangsregelung zur Einführung der Abgeltungssteuer Bestandsschutz besteht und die Veräußerungsgewinne aus vor dem 1.1.2009 erworbenen obligationsähnlichen Genussscheinen auch weiterhin nicht dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen. Die mit der Einführung der Abgeltungsteuer ab 2009 verbundene Steuerbarkeit von Veräußerungsgewinnen sollte für solche Kapitalforderungen keine Anwendung finden, die noch vor 2009 erworben wurden und nicht unter die bis Ende 2008 geltende Gesetzesfassung fielen.

Konsequenz
Der BFH lässt unbeantwortet, ob die Entscheidung auch auf Genussscheine auszudehnen ist, die sowohl im Hinblick auf die Verzinsung als auch als auch bezüglich der Kapitalrückzahlung dem Risiko der Verlustbeteiligung ausgesetzt waren.

12. Grundbuch kann bei Erbfall auch ohne Erbschein berichtigt werden

Kernaussage
Die nach einem Erbfall notwendige Grundbuchberichtigung kann ohne Erbschein erfolgen, wenn sich die Erbfolge aus einer dem Grundbuchamt vorliegenden öffentlichen Testamentsurkunde ergibt. Das Grundbuchamt hat die Testamentsurkunde auszulegen und kann nur bei einem weiterhin klärungsbedürften Sachverhalt auf der Vorlage eines – kostenpflichten – Erbscheins bestehen. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm kürzlich entschieden.

Sachverhalt
Die im Jahr 2012 und 2013 verstorbenen Eheleute aus Freckenhorst hatten 1999 einen notariellen Erbvertrag errichtet, in dem sie sich wechselseitig zu "Alleinerben" und ihre beiden Kinder u. a. zu "Nacherben" mit hälftigem Anteil eingesetzt hatten. Nach ihrem Tode haben ihre Kinder beim Grundbuchamt beantragt, sie aufgrund des Erbvertrages als Eigentümer im Grundbuch des zum Nachlass gehörenden Grundstücks in Freckenhorst einzutragen. Das Grundbuchamt hat daraufhin den Antragstellern aufgegeben, ihre Erbenstellung durch einen Erbschein nachzuweisen, weil diese aufgrund des nicht widerspruchsfreien Wortlautes mit dem Erbvertrag allein nicht hinreichend belegt sei.

Entscheidung
Die dagegen erhobene Beschwerde der Antragsteller hatte Erfolg. Nach Ansicht des OLG hat das Grundbuchamt die beantragte Grundbuchberichtigung zu Unrecht von der Vorlage eines Erbscheins abhängig gemacht. Nach der Grundbuchordnung kann ein in einer öffentlichen Urkunde enthaltenes Testament Grundlage einer Grundbuchberichtigung sein. Das gilt auch dann, wenn das Grundbuchamt die sich aus dem Testament ergebende Erbfolge erst im Wege der Auslegung ermitteln kann. Nur bei Zweifeln tatsächlicher Art, wenn weiterer Sachverhalt aufzuklären ist, kann ein Erbschein verlangt werden. Das war hier nicht der Fall.

Konsequenz
Zwar ließ der Wortlaut des Erbvertrages nicht klar erkennen, ob die Kinder nur Schlusserben nach dem letztversterbenden Elternteil sein sollten. Nach dem Wortlaut war es auch denkbar, dass bereits beim Tod des erstversterbenden Elternteils eine Vor- und Nacherbschaft eintreten sollte, nach der der überlebende Ehegatte Vor-erbe und beide Kinder Nacherben werden sollten, ohne dass damit auch die Erbfolge nach dem überlebenden Ehegatten geregelt war. In Bezug auf die beantragte Grundbuchberichtigung musste diese Unklarheit aber nicht weiter aufgeklärt werden. Die Auslegung des Erbvertrags, der die Kinder auch als "unsere Erben" bezeichnete, führte zu dem Ergebnis, dass auch bei Annahme einer Vor- und Nacherbfolge nach dem erstversterbenden Elternteil zusätzlich eine Schlusserbeneinsetzung der Kinder nach dem letztversterbenden Elternteil gewollt war. Damit stand in jedem Fall fest, dass beide Kinder (in Erbengemeinschaft) Eigentümer des betroffenen Grundbesitzes geworden waren.

13. Divergierende Angaben in Steuererklärungen können leichtfertige Steuerverkürzung sein

Kernaussage
Reicht ein Steuerpflichtiger beim Finanzamt gleichzeitig 2 Steuererklärungen ein, die den Gewinn desselben Jahres betreffen, von denen aber eine den Gewinn nur zur Hälfte wiedergibt, so kann darin eine Ordnungswidrigkeit in Form einer leichtfertigen Steuerverkürzung liegen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) aktuell entschieden.

Sachverhalt
Ein Arztehepaar hatte den Gewinn seiner Arztpraxis in der Gewinnfeststellungserklärung richtig angegeben und hälftig auf die Eheleute verteilt. In der Einkommensteuererklärung bezifferten sie die entsprechenden Einkünfte des Ehemannes zutreffend mit der Hälfte des Gewinns, die Einkünfte der Ehefrau indes nur mit einem Viertel. Beide Steuererklärungen waren durch einen Steuerberater angefertigt worden; die Eheleute hatten sie unterschrieben und beim Finanzamt eingereicht. Das Finanzamt erließ den Einkommensteuerbescheid zunächst auf der Grundlage der Einkommensteuererklärung. Nachdem der Fehler später aufgefallen war, berücksichtigte das Finanzamt in einem Änderungsbescheid den Gewinnanteil der Ehefrau in voller Höhe. Dagegen wandten die Eheleute ein, dass beim Erlass des Änderungsbescheids die 4-jährige Festsetzungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei. Das Finanzgericht gab ihnen Recht.

Entscheidung
Der BFH sah das anders: Da die Eheleute eine leichtfertige Steuerverkürzung begangen hätten, verlängere sich die Festsetzungsfrist auf 5 Jahre. Daher habe das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid noch ändern können. Die Eheleute hätten den Fehler bei Unterzeichnung ihrer Einkommensteuererklärung, spätestens aber nach Erhalt des Einkommensteuerbescheids bemerken und korrigieren müssen. Ihnen hätte sich nämlich die Frage aufdrängen müssen, weshalb der in der Einkommensteuererklärung ausgewiesene Gewinnanteil der Ehefrau von ihrem Gewinnanteil, der in der Gewinnfeststellungserklärung angegeben war, erheblich abwich.

Konsequenz
Hier war den Eheleuten vorzuwerfen, dass sie die gravierende Abweichung zwischen Steuer- und Gewinnfeststellungserklärung hingenommen und die Steuererklärung gleichwohl unterzeichnet und in den Verkehr gegeben hatten, ohne sich bei ihrem steuerlichen Berater oder beim Finanzamt nach dem Grund der Abweichung zu erkundigen. Damit haben sie die ihnen obliegende Sorgfalt in erheblichem Umfang verletzt und eine leichtfertige Steuerverkürzung begangen.

14. Anschaffungsnebenkosten bei unentgeltlichem Erwerb

Kernaussage
Kosten der Erbauseinandersetzung sind nach bisheriger Auffassung des Bundesfinanzministeriums (BMF) und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich steuerlich ohne Bedeutung. Die Kosten sind allerdings dann als Anschaffungsnebenkosten anzusehen und können im Wege der Absetzung für Abnutzung (AfA) steuerlich geltend gemacht werden, wenn sie der Überführung der bebauten Grundstücke von der fremden in die eigene Verfügungsmacht dienen und damit die Mieteinnahmen aus den übernommenen Immobilien sichern sollen.

Sachverhalt
Die Klägerin und ihr Bruder waren zu gleichen Teilen Miterben des Nachlasses ihrer verstorbenen Eltern. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung erhielt die Klägerin 2 mit Wohngebäuden bebaute Grundstücke zum Alleineigentum. Ein Gebäude wird von der Klägerin selbst zu 20 % genutzt, im Übrigen sind beide Gebäude vermietet. Sämtliche auf die Gebäude und Gebäudeteile entfallenden Herstellungskosten waren von der Erbengemeinschaft und ihren Rechtsvorgängern mit 2 % jährlich abgeschrieben worden. Die bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft entstandenen Grundbuchkosten, Beratungskosten und andere Aufwendungen im Zusammenhang mit den übernommenen vermieten Immobilien hat die Klägerin als nachträgliche Anschaffungskosten geltend gemacht. Das beklagte Finanzamt erkannte dies nicht an. Das Finanzgericht gab der Klage hiergegen statt.

Entscheidung
Der BFH hob das Urteil allerdings auf und wies die Sache an das Finanzgericht zurück. Zwar hat das Finanzgericht im Ergebnis zu Recht die Aufwendungen der Klägerin als Anschaffungsnebenkosten beurteilt, sie aber im Wege der AfA zum Abzug zu Unrecht auch insoweit zugelassen, als sie auf Grund und Boden entfallen. Bei den von der Klägerin aufgewendeten Kosten handelt es sich um Anschaffungsnebenkosten, soweit sie nicht auf die eigengenutzte Wohnung entfallen. Diese Kosten waren Gegenleistung für die Überführung der bebauten Grundstücke von der fremden in die eigene Verfügungsmacht. Sie dienen damit der Verwirklichung des Tatbestandes der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durch die Klägerin und sind damit im Wege der AfA zum Abzug zu lassen. Dies Ergebnis deckt sich mit der Rechtsprechung zum teilentgeltlichen Erwerb.

Konsequenz
Entstehen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Übernahme von Erbanteilen, die zu steuerpflichtigen Einkünften führen, ist stets zu prüfen, ob diese im Rahmen der Einkommensteuer steuermindernd geltend gemacht werden können.

15. 5-jährige Behaltensfrist nach dem Erbschaftsteuergesetz läuft nach Tod des Erben weiter

Rechtslage
Sofern Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen oder Anteile an Kapitalgesellschaften vererbt werden, kann der Erbe in den Genuss von Vergünstigungen bei der Erbschaftsteuer kommen. Bei der Bewertung dieses Vermögens kann ein Bewertungsabschlag vorgenommen und ein Freibetrag in Anspruch genommen werden. Diese Begünstigungen erfordern jedoch, dass der Erbe das begünstigte Vermögen 5 Jahre ab dem Erbfall behält und nicht verkauft. Diese Behaltensfrist läuft nach dem Tod des Erben zu Lasten seiner eigenen Erben weiter.

Sachverhalt
Die Erblasserin hatte von ihrer Mutter Anteile an einer GmbH geerbt, die kurze Zeit später im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf eine Gemeinschaft von Erben, die spätere Klägerin, übergingen. Diese veräußerten die Anteile noch innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt des ersten Todesfalls. Weil die gesetzliche 5-jährige Behaltensfrist nicht eingehalten wurde, versagte das beklagte Finanzamt im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung nach der Mutter die Begünstigung für die Anteile (Freibetrag und Bewertungsabschlag). Die Klägerin macht geltend, dass nach dem Gesetzeswortlaut nur "der Erwerber", hier also die Erblasserin, die Frist beachten müsse. Nach deren Tod sei auch der Zweck der Vorschrift, der in der Missbrauchsverhinderung liege, nicht mehr erfüllt.

Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Der Freibetrag und der verminderte Wertansatz fallen rückwirkend weg, soweit der Erwerber den erworbenen Anteil innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb veräußert. Die Steuervergünstigung dient der Fortführung des Betriebs. Die Behaltensfrist soll Missbrauch verhindern. Vor diesem gesetzlichen Regelungszweck ist es unerheblich, ob der Verkauf in der 5-Jahresfrist durch den ersten Erben oder durch dessen Erben erfolgt. Das Vermögen ist jeweils mit der laufenden Frist belastet. Die Revision ist bereits am Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Konsequenz
Die Behaltensfrist beginnt mit dem Erbfall und endet mit dem Tag genau 5 Jahre später. Im Falle des zweiten Erbfalls tritt der Erbe in alle Rechte und Pflichten des Erblassers ein. Zu den Pflichten gehört ebenso die Einhaltung der 5-Jahresfrist.

16. Gutachterkosten bei Scheidung als außergewöhnliche Belastungen absetzbar?

Kernaussage
Gutachterkosten für die Wertermittlung einer Immobilie, die im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens wegen Auskunftserteilung und Zahlung von Zugewinn anfallen, sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar; es fehlt an der Zwangsläufigkeit, entschied das Finanzgericht Hessen.

Sachverhalt
Die Ex-Ehefrau des Klägers hatte im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens wegen Auskunftserteilung und Zahlung von Zugewinn Auskunft über das Endvermögen des Klägers durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses und durch Vorlage der zur Wertermittlung notwendigen Unterlagen verlangt. Daraufhin beauftragte der Kläger einen Sachverständigen, der ein kostenpflichtiges Wertgutachten bezüglich des Grundbesitzes erstellte. Das Finanzamt verweigerte die steuerliche Berücksichtigung der Kosten für das Wertgutachten als außergewöhnliche Belastungen. Der Kläger meinte hingegen, dass er sich den Gutachterkosten aus rechtlichen Gründen nicht habe entziehen können, da die Wertermittlung von seiner damaligen Ehefrau im Scheidungsverfahren per Auskunftsklage eingefordert worden sei.

Entscheidung
Dem folgte das Finanzgericht nicht und wies die Klage ab. Der Kläger sei zur Erstellung des Wertgutachtens nämlich nicht verpflichtet gewesen. Denn das Auskunftsverlangen der Ehefrau sei lediglich auf Vorlage der zur Wertermittlung notwendigen Unterlagen und nicht auf die Vorlage eines Sachverständigengutachtens gerichtet gewesen. Dies entspreche im Übrigen auch der zivilrechtlichen Rechtslage, wonach lediglich die Verpflichtung bestehe, dem anderen Ehegatten über den Bestand seines Endvermögens Auskunft zu erteilen. Auch der über den Auskunftsanspruch hinaus bestehende Wertermittlungsanspruch richte sich nur auf die zuverlässige Ermittlung durch den Auskunftsverpflichteten selbst, erforderlichenfalls durch Einholung von Auskünften oder Einschaltung von Hilfskräften. Ein Sachverständiger müsse insoweit aber nicht beauftragt werden, da der Anspruch auf Wertfeststellung durch einen Sachverständigen im Gesetz nicht vorgesehen sei. So habe auch die Ehefrau die Ermittlung des Immobilienwertes durch einen Sachverständigen im Auskunftsverlangen lediglich als sinnvoll und damit nicht als zwingend erachtet. Das Gutachten sei vom Kläger damit in eigener Verantwortung und nicht zwangsläufig in Auftrag gegeben worden. Folgerichtig habe auch das Familiengericht die Gutachterkosten im Kostenfestsetzungsverfahren nicht als erstattungsfähig angesehen.

Konsequenz
Etwas anderes ergebe sich nach Ansicht des Finanzgerichts auch nicht aus der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Der BFH hat hier seine bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Kosten eines Zivilprozesses aufgegeben und stellt nunmehr darauf ab, dass sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Diese neue Rechtsprechung des BFH ist wohl dahingehend zu verstehen, dass lediglich Zivilprozesskosten im engeren Sinne, d. h. lediglich Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und außergerichtliche Kosten (Vergütungsansprüche eines eigenen Prozessbevollmächtigten sowie der Kostenerstattungsanspruch des Gegners) abzugsfähig sind. Hierzu gehören aber nicht die Aufwendungen für ein Wertgutachten, das, wie im Streitfall, in eigener Verantwortung in Auftrag gegeben wurde.

17. Grunderwerbsteuer bei Wiedereintritt eines ausgeschiedenen Gesellschafters?

Kernaussage
Ein Wechsel im Gesellschafterbestand von 95 % oder mehr innerhalb von 5 Jahren löst Grunderwerbsteuer aus. Scheidet ein Gesellschafter in dem 5-Jahreszeitraum zunächst aus der Gesellschaft aus und erwirbt später erneut Anteile, kann der vorgenannte Grunderwerbsteuertatbestand erfüllt sein.

Sachverhalt
Die Klägerin ist eine grundbesitzende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der zunächst 2 Personen beteiligt waren. Im Jahr 2001 brachte der eine Gesellschafter seine Anteile in eine GmbH ein. Der zweite Gesellschafter übertrug seinen Anteil im Jahr 2006 jeweils zur Hälfte ebenfalls an die GmbH und an den ausgeschiedenen Gesellschafter. Das beklagte Finanzamt setzte wegen der Anteilsübertragungen Grunderwerbsteuer fest, da der zunächst ausgeschiedene Gesellschafter als neuer Gesellschafter zu behandeln sei. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Finanzgericht Erfolg. Der Bundesfinanzhof (BFH) hob das Urteil allerdings auf und wies die Klage ab.

Entscheidung
Im Streitfall ist mit den Anteilsübertragungen innerhalb von 5 Jahren zu 100 % eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes eingetreten. Ein Gesellschafter verliert nämlich seine Gesellschafterstellung, wenn sein Mitgliedschaftsrecht und die ihm anhaftende Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft übertragen wird. Erwirbt ein zuvor ausgeschiedener (Alt-)Gesellschafter erneut einen Anteil an der Personengesellschaft, ist er im Sinne des Grunderwerbsteuergesetzes ein neuer Gesellschafter. Eine Fortgeltung der Altgesellschafterstellung kommt nicht in Betracht. Auch ist unerheblich, dass der Altgesellschafter mittelbar weiterhin an der Gesellschaft beteiligt war.

Konsequenz
Eine Steuerpflicht hätte im Streitfall vermieden werden können, wenn der Altgesellschafter seine erste Anteilsübertragung wieder rückgängig gemacht hätte. Ferner fehlten im Streitfall nur wenige Wochen, um die 5-Jahresfrist zu überschreiten, so dass die Nichtbeachtung der Frist als gravierendes Versäumnis einzustufen ist.

18. Grundstücksschenkung an Kind mit späterer Weiterschenkung an Schwiegerkind

Kernfrage
Schenken Eltern ihrem Kind einen Vermögensgegenstand und schenkt das Kind diesen Vermögensgegenstand unmittelbar (teilweise) an einen Dritten, z. B. seinen Ehegatten, weiter, dann tendiert die Finanzverwaltung dazu, eine Schenkung der Eltern an den Dritten anzunehmen. Begründung ist, dass es sich um eine Kettenschenkung handeln soll, in der die erste Übertragung auf das Kind nur deshalb erfolgt, um den ungünstigen Freibetrag bzw. Steuersatz zu vermeiden, der bestünde, wenn die Eltern unmittelbar an den Dritten geschenkt hätten. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nunmehr zu entscheiden, welche Kriterien für die Annahme einer solchen Kettenschenkung erfüllt sein müssen.

Sachverhalt
Die Mutter hatte Ihrem Sohn eine Eigentumswohnung geschenkt. Als Gegenleistung waren ein Wohnrecht der Mutter und eine Pflegeverpflichtung vereinbart. Rückübertragungsrechte hatte die Mutter nicht. Darüber hinaus musste sich der Sohn den Wert des Erwerbs in voller Höhe auf seine Pflichtteilsansprüche nach der Mutter anrechnen lassen. Der Sohn schenkte im Anschluss an die Schenkung der Mutter die Hälfte der Eigentumswohnung in einem gesonderten Vertrag seiner Ehefrau, die in sämtliche Verpflichtungen (hälftig) eintrat. Das Finanzamt sah hierin eine Kettenschenkung der Mutter an die Schwiegertochter und setzte Schenkungsteuer fest.

Entscheidung
Der BFH gab der gegen den Schenkungsteuerbescheid klagenden Ehefrau Recht. Für die eine Kettenschenkung rechtfertigende Weitergabeverpflichtung reiche es nicht aus, wenn der erste Schenker wisse, dass es zu einer zweiten Schenkung komme. Vielmehr müsse die Weitergabepflicht bestehen bzw. die zweite Schenkung erfolgen, bevor die erste Schenkung ausgeführt werde. Im Übrigen sprach gegen eine Kettenschenkung, dass Eltern bei vorweggenommenen Erbfolgeregelungen die Schweigerkinder nicht bedenken wollen. Darüber hinaus musste sich das Kind den vollen Erwerb auf seine Pflichtteilsansprüche anrechnen lassen.

Konsequenz
Mit seiner Entscheidung schafft der BFH Klarheit im Bereich der Kettenschenkung. Nur dann, wenn die Weitergabeverpflichtung bzw. die zweite Schenkung vor Ausführung der ersten Schenkung nachweislich feststand, soll eine Kettenschenkung angenommen werden können.

19. Erbnachweisklausel aus AGB der Banken ist unwirksam

Kernfrage
Banken und Sparkassen verlangen in Nr. 5 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Erbschein als Nachweis der Rechtsnachfolge im Todesfall; und zwar auch dann, wenn die Rechtsnachfolge von Todes wegen einfacher nachgewiesen werden kann. Diese Regelung führte dazu, dass ein Erbe bis zur Erteilung des Erbscheins nicht über den Nachlass, der sich bei einer Bank befand, verfügen konnte. Hinzu kam, dass ein Erbe die Kosten des Erbscheinsverfahrens tragen musste, um über den bankgebundenen Nachlass verfügen zu können. Diese Regelung hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt gekippt.

Sachverhalt
Die beklagte Sparkasse verweigerte dem Kläger den Zugriff auf Konten und Depots des Erblassers, weil dieser keinen Erbschein vorgelegt hatte. Begründung war, dass die Erbfolge unsicher sein könne und nur der Erbschein legitimer Rechtsnachfolgenachweis sei. Allerdings konnte der Erbe eine notariell beurkundete Verfügung von Todes wegen vorlegen, die ihn als Alleinerben auswies.

Entscheidung
Der BGH erklärte Ziff. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken deshalb für generell unwirksam, weil sie diejenigen Erben, die ihre Rechtsnachfolge durch öffentliche Urkunden, also insbesondere notariell beurkundete Verfügungen von Todes wegen, nachweisen können, unangemessen benachteiligen. Denn z. B. die Grundbuchordnung lässt es für die Eintragung als Eigentümer aufgrund Erbgangs ausreichen, wenn der Erbe seine Rechtsnachfolge durch öffentliche Urkunde, also insbesondere notariell beurkundetes Testament und Eröffnungsniederschrift des Nachlassgerichts, nachweisen kann.

Konsequenz
Die Entscheidung des BGH klärt eine langjährige Streitfrage des Erbrechts abschließend. Notarielle Testamente bzw. Erbverträge sind mit ihrer Eröffnungsniederschrift ausreichend, um den Rechtsnachfolgenachweis zu führen. Entsprechend sind die Kosten eines Erbscheinverfahrens, in das die Bank einen Erben mit solchen Nachweisen zwingt, als Schadensersatz von der Bank zu ersetzen. Aus Praxissicht gilt darüber hinaus, dass man solche Unannehmlichkeiten durch eine Bankvollmacht zugunsten des Erben abfedern kann.

20. Grunderwerbsteuer: Wann liegt ein einheitlicher Erwerbsvorgang vor?

Kernaussage
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind die einem Grundstückserwerb nachfolgenden Bauleistungen in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Grundstückes mit einzubeziehen, wenn ein Zusammenhang zwischen dem Veräußerer des Grundstücks und dem Bauunternehmer besteht. Das abgestimmte Verhalten auf der Veräußererseite muss für den Erwerber nicht zwingend erkennbar sein.

Sachverhalt
Der Kläger erwarb im März 2005 von der Bank ein unbebautes Grundstück. Das Geschäft wurde von einer Immobiliengesellschaft vermittelt, deren Gesellschafter mehrere Banken, u. a. die Verkäuferin, sind. Im April 2005 schloss der Kläger mit einer GmbH einen Vertrag über die Errichtung einer Doppelhaushälfte auf seinem Grundstück. Spätere Ermittlungen des beklagten Finanzamts ergaben, dass die Immobiliengesellschaft und die GmbH für das Objekt des Klägers einen Immobilienvermittlungsvertrag abgeschlossen haben. Für die Vermittlung des Grundstücks berechnete die Immobiliengesellschaft der GmbH eine Provision die mit dem Verkauf des Doppelhauses fällig wurde. Das Finanzamt ging somit von einem einheitlichen Erwerbsgegenstand aus und bezog die Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ein.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) hob das stattgebende Urteil des Finanzgerichts auf und verwies die Sache zurück. Ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag liegt vor, wenn die Veräußererseite das Angebot zur Bebauung des Grundstücks bis zum Abschluss des Grundstückskaufvertrages abgibt und der Erwerber das Angebot später unverändert oder mit geringen Abweichungen annimmt. Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf, liegt ein einheitlicher, auf den Erwerb des bebauten Grundstücks gerichteter Erwerbsvorgang vor, wenn die Veräußererseite durch ihr abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss des Kauf- und Bauvertrages hinwirkt. Das Zusammenwirken muss für den Erwerber nicht objektiv erkennbar sein.

Konsequenz
Nach dem Urteil des BFH muss ein Erwerber stets damit rechnen, wenn er ein unbebautes Grundstück kauft und in einem zeitlich engen Zusammenhang mit einem Bauträger den Hausbau vereinbart, dass Grunderwerbsteuer auch auf die Kosten des Hausbaus zu zahlen ist.

21. Zuwendungen aus Anlass von Betriebsveranstaltungen = Arbeitslohn?

Kernaussage
In 2 neuen Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine Rechtsprechung zu der Frage fortentwickelt, unter welchen Voraussetzungen die Teilnahme an Betriebsveranstaltungen bei Arbeitnehmern zu einem steuerbaren Lohnzufluss führt.

Sachverhalt
Im ersten Streitfall hatte der Arbeitgeber anlässlich eines Firmenjubiläums seine Arbeitnehmer zu einer Veranstaltung in ein Fußballstadion eingeladen. Die Kosten hierfür betrafen vor allem Künstler, Eventveranstalter, Stadionmiete und Catering. Das Finanzamt (FA) hatte bei der Ermittlung der Freigrenze sämtliche Kosten berücksichtigt. Die Freigrenze war danach überschritten. Das Finanzgericht (FG) war dem gefolgt.

Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. Zwar habe das FG die Freigrenze zu Recht mit 110 Euro bemessen. Die Kosten für den äußeren Rahmen der Veranstaltung hätten jedoch nicht berücksichtigt werden dürfen. Bleibe allein die Stadionmiete unberücksichtigt, sei die Freigrenze nicht überschritten. In einem weiteren Urteil desselben Tages hat der BFH entschieden, dass die Kosten der Veranstaltung nicht nur auf die Arbeitnehmer, sondern auf alle Teilnehmer (z. B. auch Familienangehörige) zu verteilen sind. Der danach auf Begleitpersonen entfallende Anteil der Kosten wird, so der BFH ebenfalls entgegen seiner früheren Auffassung, den Arbeitnehmern bei der Berechnung der Freigrenze auch nicht als eigener Vorteil zugerechnet. In diesem Fall hatten nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Familienangehörige und sonstige Begleitpersonen der Arbeitnehmer an einer Betriebsveranstaltung teilgenommen. Die Kosten der Veranstaltung beliefen sich nach den Feststellungen des FA auf ca. 68 EUR pro Teilnehmer. Da das FA die auf einen Familienangehörigen entfallenden Kosten dem Arbeitnehmer zurechnete, ergab sich in einzelnen Fällen eine Überschreitung der Freigrenze. Der BFH hat der dagegen gerichteten Klage insgesamt stattgegeben.

Konsequenz
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Zuwendungen eines Arbeitgebers anlässlich einer Betriebsveranstaltung erst bei Überschreiten einer Freigrenze (von 110 EUR/Person) als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren. Der Wert der den Arbeitnehmern zugewandten Leistungen kann anhand der Kosten geschätzt werden, die der Arbeitgeber dafür seinerseits aufgewendet hat. Diese Kosten sind grundsätzlich zu gleichen Teilen sämtlichen Teilnehmern zuzurechnen. Eine weitere Voraussetzung für die Annahme von Arbeitslohn ist in diesen Fällen, dass die Teilnehmer durch die Leistungen objektiv bereichert sind. Dies hat der BFH nun durch das aktuelle Urteil entschieden und seine bisher gegenteilige Rechtsprechung geändert. Zu einer objektiven Bereicherung führen dabei nur solche Leistungen, die von den teilnehmenden Arbeitnehmern unmittelbar konsumiert werden können, also vor allem Speisen, Getränke und Musikdarbietungen. Aufwendungen des Arbeitgebers, die die Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung betreffen (z. B. Mieten und Kosten für die Beauftragung eines Eventveranstalters) bereichern die Teilnehmer hingegen nicht und bleiben deshalb bei der Ermittlung der maßgeblichen Kosten unberücksichtigt.

22. Markenrecht: Welcher Zeitpunkt gilt bei Prüfung der Unterscheidungskraft?

Kernaussage
Auch Slogans und Wortfolgen können als Marke Schutz beanspruchen, wenn sie die erforderliche Unterscheidungseignung besitzen, als Herkunftszeichen wahrgenommen werden und nicht als bloße Werbeaussage zu verstehen sind. Vorliegend wurde die Wortfolge "Aus Akten werden Fakten" während der Dauer des Eintragungsverfahrens (3 Jahre) in der Branche des IT-gestützten Vertragsmanagements zu einer branchenüblichen Aussage. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied nunmehr entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung, dass bei der Prüfung der Unterscheidungskraft von Marken allein der Zeitpunkt der Anmeldung maßgeblich ist.

Sachverhalt
Die Anmelderin hat im September 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Eintragung der Wortfolge "Aus Akten werden Fakten" als Marke für den Bereich des IT-gestützten Vertragsmanagements beantragt. Das Amt hat die Anmeldung im August 2009 wegen Fehlens der Unterscheidungskraft zurückgewiesen, denn im Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung werde die Wortfolge vom angesprochenen Publikum als werbeübliche Anpreisung verstanden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg. Der BGH sah das allerdings anders.

Entscheidung
Nach bisheriger Rechtsprechung ist für die Unterscheidungskraft sowohl im Eintragungs- als auch im Nichtigkeitsverfahren auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens als Marke abzustellen. Nach neuerer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Gemeinschaftsmarkenverordnung ist dagegen allein der Zeitpunkt der Anmeldung maßgeblich. Der Anmelder muss danach weder im Eintragungsverfahren noch im Nichtigkeitsverfahren eine nach dem Zeitpunkt der Anmeldung eingetretene nachteilige Veränderungen der Marke, wie den Verlust der Unterscheidungskraft oder ihre Umwandlung in eine gebräuchliche Bezeichnung, gegen sich gelten lassen. Der BGH hält im Hinblick auf diese EuGH-Rechtsprechung nicht mehr an seiner bisherigen Beurteilung fest. Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft eines Zeichens ist deshalb allein auf den Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen.

Konsequenz
Das Urteil ist zu begrüßen. Es entspricht dem Interesse des Anmelders, durch die Dauer des Eintragungsverfahrens keine Nachteile zu erleiden. Zudem ist dem Allgemeininteresse an der grundsätzlichen einheitlichen Auslegung des Markenrechts und den Regelungen der Gemeinschaftsmarkenverordnung genüge getan.

23. Keine steuerliche Absetzbarkeit von Verlusten eines Hobbyautors

Kernaussage
Mit (noch nicht rechtskräftigem) Urteil hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz entschieden, dass Verluste, die ein (Hobby)Autor wegen der Veröffentlichung eines Buches mit Kurzgeschichten erzielt, steuerlich nicht anzuerkennen sind.

Sachverhalt
Der Kläger, ein selbstständiger Logopäde, machte für die Jahre 2008-2010 Aufwendungen für seine Autorentätigkeit geltend, u. a. Publikationskosten, Fahrtkosten, Kosten für ein Arbeitszimmer und die Geschäftsausstattung (insgesamt rund 11.000 EUR). Einnahmen erklärte er keine. Im Jahr 2011 gab er seine Autorentätigkeit auf. Für die Einkommensteuerveranlagung prüfte das beklagte Finanzamt die Gewinnerzielungsabsicht des Klägers in Bezug auf seine Autorentätigkeit und forderte entsprechende Angaben und Unterlagen. Eine Antwort blieb aus, so dass die Verluste aus der Autorentätigkeit des Klägers nicht anerkannt wurden. Mit seiner dagegen gerichteten Klage machte der Kläger im Wesentlichen geltend, er habe mit einem Verlag einen Autorenvertrag geschlossen. Dies belege seine Gewinnerzielungsabsicht. Ohne entsprechende Gewinnerzielungsabsicht hätte er auch keine Publikationskosten in Höhe von 4841 EUR übernommen. Mit der Autorentätigkeit habe er sich ein zweites Standbein aufbauen wollen, da er wegen gesundheitlicher Probleme in der Ausübung seines Hauptberufes zusehends eingeschränkt werde. Im Übrigen sei er vom Verlag getäuscht worden, da dieser nicht die zugesagten Aktivitäten entfaltet habe.

Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Der Kläger konnte nicht den Nachweis führen, dass er mit seiner Autorentätigkeit eine Gewinnerzielungsabsicht gehabt habe. Die Gewinnerzielungsabsicht als sog. "innere Tatsache" (Vorgang, der sich in der Vorstellung von Menschen abspielt) kann nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden. Nach diesen allein maßgeblichen objektiven Umständen war davon auszugehen, dass der Kläger mit seiner Autorentätigkeit keinen Totalgewinn hätte erzielen können. Der Kläger übte die verlustbringende Tätigkeit aus im Bereich der Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen aus. Der besondere Charakter des vom Kläger behandelten Themas erlaubte hier den Schluss, dass die Tätigkeit nicht allein auf der Absicht beruhte, sich ein zweites berufliches Standbein zu schaffen. Auch die Bereitschaft zur Übernahme nicht unerheblicher Druckkosten sprach dafür, dass überwiegend private Interessen für die Tätigkeit ursächlich waren.

Konsequenz
Derartige Verluste wie die des Klägers können im Einzelfall nur dann als sog. "Anlaufverluste" anerkannt werden, wenn bereits zu Beginn der Tätigkeit ein schlüssiges Betriebskonzept existiert, das den Steuerpflichtigen zu der Annahme veranlassen darf, durch die selbstständige Tätigkeit könne insgesamt ein positives Gesamtergebnis erzielt werden. Der Betrieb muss jedenfalls objektiv geeignet sein, einen Totalgewinn abzuwerfen. Dies war hier nicht der Fall, weil die Druckkosten des Klägers bereits zu Beginn der Tätigkeit einen Verlust auslösten, der in den nachfolgenden Jahren nicht auszugleichen war. Um überhaupt mit Honoraren rechnen zu können, hätte der Kläger mehr als 1000 Stück seines Werkes verkaufen müssen. Derartige Verkaufszahlen sind indes auch bei einem "aktiveren" Marketing des Verlags bei einem Erstlingswerk schwer zu erreichen.

24. Welche Beweiskraft kommt einer Postzustellungsurkunde zu?

Kernaussage
Als öffentliche Urkunde begründet die Postzustellungsurkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Die Beweiskraft erstreckt sich auf die Übergabe des Schriftstücks an die in der Zustellungsurkunde genannte Person. Ein Gegenbeweis kann nur durch Nachweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden.

Sachverhalt
Der Kläger wurde vom beklagten Finanzamt für rückständige Umsatzsteuern einer Kommanditgesellschaft als Geschäftsführer der Komplementärin in Haftung genommen. Nachdem das Finanzamt den ersten Haftungsbescheid zurücknahm, erließ es am 31.3.2009 einen neuen Haftungsbescheid, in dem es die Ermessensausübung näher begründete. Der Bescheid erging mittels Postzustellungsurkunde. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 2.6.2010 Einspruch mit Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ein. Zur Begründung führte der Kläger aus, dass er von dem Bescheid erst in einer mündlichen Verhandlung wegen einer vom Finanzamt erlassenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung gehört habe. Er habe den Bescheid nie erhalten und könne sich an die Zustellung nicht erinnern. Die Klage hatte weder vor dem Finanzgericht noch vor dem Bundesfinanzhof (BFH) Erfolg.

Entscheidung
Die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde erstreckt sich auch auf die Übergabe des Schriftstücks an die in der Urkunde genannte Person. Ein Gegenbeweis kann nur durch Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden. Einen solchen Gegenbeweis hat der Kläger nicht ansatzweise geführt. Eine weitere Sachaufklärung in Form der Zeugenvernehmung des Zustellers musste das Gericht nicht betreiben. Zumal der Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls keine Beweisanträge gestellt und damit sein Rügerecht verloren hatte. Der Untersuchungsgrundsatz des finanzgerichtlichen Verfahrens ist eine Verfahrensvorschrift, auf deren Einhaltung ein Beteiligter auch durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann.

Konsequenz
Die revisionsrechtliche Rüge der mangelnden Sachaufklärung greift nicht durch, wenn der Beteiligte in der maßgeblichen Verhandlung selbst anwesend oder fachkundig vertreten war, die mangelhafte Sachaufklärung erkennen musste und den Verfahrensverstoß trotzdem nicht gerügt hat. Der BFH bestätigt damit ein Verzicht auf Verfahrensrechte durch Unterlassen.

25. Arbeits- oder Werkvertrag? Was spricht für Arbeitnehmerstellung?

Kernfrage
Dort, wo Personen ein bestimmtes Projekt oder einen besonderen Auftrag für ein Unternehmen erledigen sollen, kommt es vor, dass anstelle einer abhängigen Beschäftigung der Weg des Dienst- oder Werkvertrags gewählt, der Auftragnehmer also selbstständig tätig wird. Damit spart das beauftragende Unternehmen insbesondere Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge. Diese Vorgehensweise erfolgt nicht nur in Branchen, die aus den Medien bekannt sind (Stichwort: Schlachthof), sondern ist auch in anderen Bereichen üblich. Ob aber tatsächlich ein freier Dienst- oder Werkvertrag oder nicht doch ein Arbeitsverhältnis vorliegt, richtet sich nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände und insbesondere der tatsächlichen Abwicklung der vertraglichen Beziehung. Gefahren für den Auftraggeber drohen dabei nicht nur im Rahmen einer Betriebsprüfung, sondern auch durch den Auftragnehmer, der im Wege einer Feststellungsklage feststellen lassen kann, dass ein Arbeitsverhältnis vorgelegen habe und er (weiter) zu beschäftigen sei.

Sachverhalt
Ein Kartograph hatte für eine Behörde Daten zu erfassen und Karten neu zu erstellen. Hierfür hatte er einen Werkvertrag abgeschlossen, der eine feste Vergütung vorsah, es ihm aber ermöglichte, diese Vergütung jeweils nach abgeschlossenen Teilarbeiten in gleichen Raten abzurufen. Die Tätigkeit ihrerseits war so ausgestaltet, dass der Auftragnehmer sie dem Grunde nach nur in den Räumlichkeiten der beauftragenden Behörde erledigen konnte. Zu den Räumlichkeiten der Behörde hatte er zwar keinen eigenen Schlüssel, er arbeitete aber an einem eigenen Dienst-Computer innerhalb fester Arbeitszeiten mit eigener Zugangsberechtigung. Nach Ende des Auftrages klagte er auf Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses und obsiegte.

Entscheidung
Die Gesamtwürdigung aller das Verhältnis prägenden Umstände, insbesondere aber die tägliche Abwicklung des Arbeitsverhältnisses ließen das Bundesarbeitsgericht (BAG) ein abhängiges Arbeitsverhältnis annehmen. Neben der Eingliederung in die betriebliche Organisation (Arbeitserledigung innerhalb fester Arbeitszeiten an eigenem Dienst-Computer mit eigener Kennung) lasse auch die Zielrichtung des Vertrags auf ein Arbeitsverhältnis schließen. Geschuldet sei nämlich überwiegen kein Erfolg im Sinne der Erstellung eines Werkes, sondern die Datenerhebung in persönlicher Abhängigkeit zur Behörde.

Konsequenz
Ungeachtet der Tatsache, dass das Urteil eine Einzelfallentscheidung ist, zeigt es aber deutlich, dass die tatsächliche Abwicklung der Tätigkeit zentrales Element für die Beurteilung des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses oder einer Selbstständigkeit ist.

26. Arbeitnehmer haftet für fahrlässige Verletzung von Kollegen bei betriebsfremder Arbeit

Kernfrage
Die Regelungen über die gesetzliche Unfallversicherung (verankert im Sozialgesetzbuch 7) sehen für den Bereich der betrieblichen Tätigkeit Haftungsprivilegien vor. Unter anderem haften Arbeitnehmer nur dann untereinander auf Schadensersatz, wenn ein Arbeitnehmer den anderen durch eine "betriebliche Tätigkeit" vorsätzlich verletzt. Mit anderen Worten, kommt es zu der Verletzung aufgrund nur fahrlässigen Handelns im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit haftet der Kollege nicht. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen hatte nunmehr über die Abgrenzung der betrieblichen Tätigkeit im Rahmen dieser Haftungsprivilegierung zu entscheiden.

Sachverhalt
Ein Auszubildender in einer Werkstatt hatte einem anderen Auszubildenden, während beide mit dem Auswuchten von Reifen beschäftigt waren, ohne Grund und Vorwarnung ein Gewicht an den Kopf geworfen, wodurch der Getroffene erhebliche Augenverletzungen davon getragen hatte. Der Geschädigte nahm seinen Kollegen auf Schadensersatz in Anspruch; dieser verteidigte sich mit dem Haftungsprivileg der gesetzlichen Unfallversicherung und dem Einwand, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben.

Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht gab der Schadensersatzklage statt. Zwar liege nur ein fahrlässiges Handeln vor, weil die (Schwere der) Verletzung nicht beabsichtigt gewesen sei; allerdings könne die Haftungsbegrenzung nur auf vorsätzliches Handeln nicht angewandt werden. Denn das Werfen von Gewichten sei nicht der betrieblichen Tätigkeit zuzuordnen, sondern stelle alleine privates Handeln dar.

Konsequenz
Die Entscheidung überrascht nicht. Das Haftungsprivileg aus den Regelungen über die gesetzliche Unfallversicherung ist eng auszulegen und wird nur dort gewährt, wo berufsübliche Tätigkeiten zu einer Verletzung von Kollegen führen.

27. Ist der Testamentsvollstrecker immer zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung verpflichtet?

Kernfrage
Ist im Rahmen eines Erbfalls Testamentsvollstreckung angeordnet, wird der Testamentsvollstrecker weder Vertreter des Erblassers noch des Erben. Er ist Treuhänder über den Nachlass. Erbschaftsteuerlich ist der Testamentsvollstrecker verpflichtet, Erbschaftsteuererklärungen abzugeben und die Erbschaftsteuer zu begleichen. Dies gilt gesetzlich aber nur und soweit ein Gegenstand der Testamentsvollstreckung unterliegt und der Testamentsvollstrecker vom Finanzamt zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung aufgefordert wird. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob diese gesetzlich Regelung weiter zu verstehen ist.

Sachverhalt
Im Rahmen eines Erbgangs war die spätere Klägerin zur Nachvermächtnisnehmerin eingesetzt. Bezogen auf den Gegenstand des Nachvermächtnisses war Testamentsvollstreckung angeordnet. Eine der Vorvermächtnisnehmer gab in ihrer Steuererklärung das Nachvermächtnis als Verbindlichkeit an. Das Finanzamt setzte daraufhin Erbschaftsteuer gegenüber der Nachvermächtnisnehmerin fest, ohne die Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung von ihr oder dem Testamentsvollstrecker zu verlangen. Mit ihrer Klage machte die Nachvermächtnisnehmerin insbesondere geltend, der Erbschaftsteuerbescheid sei von vorneherein unwirksam, weil er nicht dem Testamentsvollstrecker gegenüber bekannt gegeben worden sei.

Entscheidung
Der BFH lehnte diese Rechtsauffassung der Klägerin ab; eine Bekanntgabe der Erbschaftsteuerbescheids gegenüber dem Testamentsvollstrecker sei nicht erforderlich gewesen. Zwar habe der Besteuerungsgegenstand der Testamentsvollstreckung unterlegen, allerdings sei der Testamentsvollstrecker nicht zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung aufgefordert worden. Die Sondervorschrift, nach der die Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheids an den Testamentsvollstrecker zu erfolgen habe, greife aber nur dann, wenn der Testamentsvollstrecker auch zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung verpflichtet war. Hierfür müssten aber beide Tatbestandsmerkmale, nämlich dass der Nachlassgegenstand der Testamentsvollstreckung unterliegt dass zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung aufgefordert wurde, gleichzeitig vorliegen.

Konsequenz
Das Gericht bestätigt die gesetzliche Vorschrift, die in ihrem Wortlaut nicht weiter ausgelegt werden kann. Eine uneingeschränkte Pflicht zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung durch den Testamentsvollstrecker besteht nicht.

28. Kein Anspruch des (leitenden) Arbeitnehmers auf Einzelbüro

Kernfrage
Arbeitnehmern kann ein Anspruch auf eine bestimmte Kondition im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses entstehen, wenn der Arbeitgeber ihnen diese Kondition jahrelang ohne Weiteres gewährt hat (sogenannte Betriebliche Übung). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte nunmehr am Fall eines Universitätsprofessors darüber zu befinden, ob sich ein solcher Anspruch auch auf die Gewährung eines Einzelbüros, das bei Arbeitnehmern (gelegentlich) als Statussymbol oder Wertschätzungsmerkmal verstanden wird, beziehen kann.

Sachverhalt
Bei einer Hochschule standen umfangreiche Umbaumaßnahmen an. Im Zuge dieser Arbeiten wurden den Professoren neue Diensträume zugewiesen. Dabei kam es dazu, dass einer der Professoren sein Einzelbüro aufgeben und sich ein Büro mit einem Kollegen teilen musste. Hiergegen wandte sich der betroffene Professor im Rahmen eines einstweiligen Rechtschutzverfahrens, unterlag aber vor Gericht.

Entscheidung
Unabhängig davon, das der Professor nicht eingewandt hatte, er könne aufgrund des Verlustes seines Einzelbüros seine Aufgaben als Hochschullehrer nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen, stellte das Gericht zentral darauf ab, dass dem Dienstherren ein nahezu uneingeschränktes Weisungsrecht im Hinblick auf die Raumzuweisung zustehe, das im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung nur darauf hin zu prüfen sei, ob die Raumzuteilung willkürlich erfolgt sei. Da die neue Raumzuteilung den Professor aber nicht unangemessen beeinträchtige, müsse diese Willkürprüfung zu seinen Ungunsten ausfallen.

Konsequenz
Die Entscheidung, die wohl auch auf das "normale" Arbeitsrecht übertragbar ist, ist eindeutig. Die Raumzuteilung ist eine Frage des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts, das auch durch eine jahrelange Übung nicht durchbrochen werden kann. Einziger Prüfungsmaßstab bleibt die Willkürgrenze.


Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen



Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
www.gißewski.de